Wie Nicole M. ihrer Tochter hilft, von Zigaretten loszukommen.
Was in der Grundschule in der Regel noch kein Thema ist, wird ab der fünften Klasse oft zum Problem: Kinder, die rauchen. Bis zu einem Alter von etwa elf bis 13 Jahren empfinden viele Kinder den Geruch von Zigarettenrauch als abstoßend – und haben Recht damit. Es ist die beste Zeit, um die Kinder in ihrer ablehnenden Haltung zu bestärken und mit ihnen behutsam über gesundheitliche Risiken zu sprechen. Doch danach beginnt ein Alter der Neugier und des Ausprobierens. „Ich war richtig geschockt, als ich mitbekommen habe, dass meine 14-jährige Tochter mit ihren Freund+innen raucht“, erzählt Nicole M. und fragt: „Was kann man da tun?“
Wie reagiere ich, wenn ich mein Kind beim Rauchen erwische?
Nicole M. ergeht es wie vielen Eltern. Wenn das eigene Kind beim Rauchen erwischt wird, ist die Aufregung erst einmal groß. Umso wichtiger ist es jetzt, ruhig zu bleiben. Vorträge, Verbote oder Vorwürfe könnten alles noch schlimmer machen. Doch Eltern haben gute Chancen, wenn sie ihre Kinder ernst nehmen und sie mit vielen freundlichen Gesprächen überzeugen. Nicole M. befolgt den Rat von Bianka Puppel, Leiterin des Kinder- und Jugendheims Schloss Pretzsch: Sie passt einen ruhigen Moment ab und äußert klar ihre Wünsche und ihre eigene Meinung zum Thema Rauchen. Die Mutter war darauf gefasst, dass ihr Kind zunächst ablehnend reagiert und versucht, das Problem zu verharmlosen. Doch behutsame Sätze wie „Ich wünsche mir…“ oder „Ich habe Angst, dass…“ öffnen viele Türen.
Wichtig ist, sich vorher selbst gut zu informieren. Neben sachlichen Argumenten helfen auch Verständnis und Einfühlungsvermögen. Die Kinder sollten unbedingt selbst zu Wort kommen und erzählen können, warum sie eigentlich rauchen.
Was Rauchen für Jugendliche interessant macht
„Die Pubertät ist ein Abnabelungsprozess und die Zeit der Rebellion“, erklärt Bianka Puppel. Es ist aber auch die Zeit der Selbstzweifel. Etwas auszuprobieren, das die Eltern verbieten, ist ganz normal. Denn nicht mehr Mutter und Vater gelten jetzt als Vorbild, sondern eher Freund*innen und ältere Jugendliche, die man bewundert. Der Wunsch nach ihrer Anerkennung und nach Zugehörigkeit ist groß.
Wer raucht, will damit vielleicht erwachsen, attraktiv und mutig wirken. Rauchen kann als Türöffner auf der Suche nach neuen Kontakten gesehen werden. Andere halten sich regelrecht an der Zigarette fest, wenn sie sich gerade unsicher fühlen, oder vertreiben sich einfach die Langeweile. Auch die Werbung trägt ihren Teil zur Verführung bei: Sie verbindet eine Zigarettenmarke mit einem bestimmten Lebensstil und spricht mit ihrer Aufmachung besonders junge Menschen an. Dabei ist den Kindern voll bewusst, dass Rauchen schädlich für die Gesundheit ist und auch abhängig machen kann.
Für welche Argumente sind Jugendliche offen?
Während Lungenkrebs und Raucherbein weit weg erscheinen, sind Jugendliche eher von direkten Folgen beeindruckt. Es lohnt sich, über Mundgeruch, gelbe Zähne und stinkende Kleidung zu reden. Die Kondition im Sport kann sich verschlechtern und Jungen könnten es mit Erektionsproblemen zu tun bekommen. Mädchen hingegen verweigert der Frauenarzt womöglich die Pille: Das Risiko von Thrombosen ist zu groß. Und wer will im schönsten Ausgehalter nicht mehr Geld im Portemonnaie haben?
Jugendliche möchten frei und selbstbestimmt sein. Abhängigkeit sorgt da nur für Frust und könnte von anderen als Schwäche ausgelegt werden. Wer so stark ist aufzuhören und still gegen die Tabakkonzerne rebelliert, kann auf Bewunderung hoffen. Ein wichtiger Punkt ist auch das Verantwortungsgefühl gegenüber anderen: Wer raucht, verführt unbewusst Jüngere und schädigt auch die Menschen im direkten Umfeld, die den Qualm mit einatmen.
Tipps, wenn sich das Kind nicht überzeugen lässt
Wenn die Jugendlichen bereits über die Experimentierphase hinaus sind und das Rauchen zur Sucht wird, ist es schwieriger. Diese Gefahr ist umso größer, je jünger das Kind ist. Und umso schwerer wird auch die Entwöhnung. Eltern, die selbst nicht rauchen oder ihrerseits aufhören, können ein gutes Vorbild sein. „Unterstützen Sie Ihr Kind, bleiben Sie miteinander im Gespräch! Reden Sie über kleine Erfolgserlebnisse und auch über die Schwierigkeiten auf dem Weg zum Nichtraucher!“, rät Bianka Puppel.
Insgesamt ist es wichtig, dass sich das Kind seine eigene Meinung bildet und sich selbst dazu entscheidet, nicht mehr zu rauchen. Wenn es nicht aufhören will, sollte man sich zunächst vornehmen, weniger zu rauchen. Dazu können kleine Belohnungen motivieren. Möglich ist auch, einen Vertrag abzuschließen – inklusive Starttermin und einer Vereinbarung über eine große Belohnung, wenn das Kind am Ziel ist. Auf diese Weise wollen es Nicole M. und ihre Tochter nun versuchen – gemeinsam. Am Ende steht eine schöne Kurzreise in Aussicht.
Hinweis
Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und erhebt nicht den Anspruch, alle Facetten der komplexen Thematik zu beleuchten.
Fachliche Begleitung
Bianka Puppel
Sigrun Leine