Bipolare Störung: Wechsel der Gefühle

Bei einer bipolaren Störung handelt es sich um eine schwere psychische Erkrankung, welche auch als manisch-depressive Erkrankung bekannt ist. Sie zählt zu den affektiven Störungen. Dies bedeutet, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Gefühle im Mittelpunkt steht. Das Wort „bipolar“ meint, dass es zu einem Wechsel zwischen Phasen mit sehr niedergedrückter und Phasen mit sehr aufgewühlt-euphorischer Stimmung kommt. Diese einzelnen Stimmungslagen können intensiver oder weniger stark ausgeprägt sein. Die Wechsel zwischen den Stimmungen erfolgen zeitweise sehr rasch. Ebenso kann es auch Phasen geben, in denen eine Gefühlslage länger andauert. Phasen der Beschwerdefreiheit wechseln sich ab mit Phasen, in denen der/die Betroffene unter starken Symptomen leidet. Oft  ist eine Vielzahl von Schwierigkeiten im alltäglichen Leben die Folge. So kommt es häufig zu Konflikten mit der Familie, dem/der Arbeitgeber*in oder sogar mit der Polizei. Menschen verschulden sich und verlieren soziale Kontakte. Auch Suizidversuche sind nicht selten.

Wichtigste Fragen zur Bipolaren Störungen

  • Was sind die Anzeichen einer bipolaren Störung?

    Hauptsymptom einer bipolaren Störung ist der Wechsel zwischen entgegengesetzten Stimmungslagen. Zum einen kommt es zu sogenannten manischen, zum anderen zu depressiven Phasen. Dieses Auf und Ab wird mitunter als „Achterbahn der Gefühle“ beschrieben.
    In der Manie ist die Stimmung deutlich gehoben, regelrecht euphorisch und/oder sehr gereizt/aggressiv. In dieser Phase sind die Betroffenen sehr aktiv und ruhelos, schlafen kaum. Das sexuelle Interesse ist häufig gesteigert. Sie überschätzen sich, verhalten sich oft riskant und leichtsinnig. So verfallen Einige regelrecht in einen Kaufrausch oder stürzen sich in Unternehmungen, die unangemessen sind oder sie überfordern. Dadurch geraten diese Menschen gehäuft in Konflikte mit dem Gesetz oder verschulden sich hoch. Oft steht die Überzeugung im Hintergrund, der Größte oder Beste zu sein und alles zu können. Die Gedanken rasen und wechseln rasch, die Konzentration ist herabgesetzt. Oft halten die Betroffenen nicht die notwenige Distanz zu Anderen, sind hemmungslos und reden viel. In dieser Phase erleben sich die Menschen meist als besonders gesund und leistungsfähig. Sie äußern, in Höchstform zu sein. Zeiten, in denen diese Symptome in abgeschwächter Form vorhanden sind, werden als Hypomanie bezeichnet.
    In der Depression hingegen sind die Betroffenen deutlich niedergeschlagen, verlieren das Interesse, können sich kaum noch freuen. Es fällt ihnen schwer, den Alltag zu bewältigen. Sie sind oft müde und rasch erschöpft. Das Denken ist verlangsamt und/oder grüblerisch. Teilweise kommt es zu irrealen Überzeugungen, wie z. B. zu verarmen oder an Allem schuld zu sein. Das Selbstwertgefühl ist reduziert und die Sicht auf die Zukunft pessimistisch. Die Menschen ziehen sich zurück und vernachlässigen Freunde und Familie. Es kommt zu Schlafstörungen, Appetit- und Gewichtsverlust. Gedanken an den Tod können sich aufdrängen und zu einem Suizidversuch führen. Auch die depressiven Phasen können unterschiedlich schwer ausgeprägt sein.
    Das Typische bei der bipolaren Störung ist der Wechsel zwischen manischen und depressiven Phasen. Die einzelnen Phasen können unterschiedlich schwer verlaufen. Sie können sich direkt aneinander anschließen bzw. ineinander übergehen oder eine Phase folgt einem symptomfreien Intervall und klingt ohne eine weitere unmittelbar nachfolgende depressive oder manische Phase ab. Die Verlaufsformen sind sehr vielschichtig. Auch rasche Wechsel von manischen und depressiven Zuständen (innerhalb von Stunden) sind möglich, sie werden als Mischzustände bezeichnet.

  • Was sind die Ursachen einer bipolaren Störung?

    Zunächst einmal möchten wir betonen, dass weder der Betroffene noch andere Menschen schuld an der Erkrankung sind. Ursächlich für eine bipolare Störung ist vielmehr ein komplexes Zusammenspiel sowohl biologischer als auch psychosozialer Faktoren. Dies kann individuell sehr unterschiedlich sein. 
    Bei den biologischen Faktoren sind die Stoffwechselprozesse im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei die Vererbung. Es wird allerdings lediglich die Veranlagung, nicht die Krankheit an sich, vererbt. Weiterhin können lebensgeschichtlich bedingte Fehlfunktionen des Hirnstoffwechsels das Risiko, an einer bipolaren Störung zu erkranken, erhöhen.
    Unter psychosozialen Faktoren versteht man aktuelle Stressoren und dauerhafte seelische Belastungen. Hierzu zählen z. B. familiäre Schwierigkeiten, Schicksalsschläge, Lebensereignisse, Enttäuschungen. Aber auch der Mangel an Bewältigungsstrategien im Umgang mit derartigen Ereignissen und Bedingungen ist bedeutsam.

  • Wie wird die Störung diagnostiziert?

    Gemeinsam mit dem Betroffenen und dessen Angehörigen stellt der Arzt eine möglichst passgenaue Diagnose. Hierfür sind zunächst ausführliche Gespräche erforderlich, gefolgt von weiteren diagnostischen Maßnahmen. Dazu gehören z. B. eine Bildgebung des Kopfes (bildliche Darstellung des Gehirnes durch eine Aufnahme in der „Röhre“), körperliche und Laboruntersuchungen sowie psychologische Testverfahren. Um zwischen den verschiedenen Formen bzw. Verläufen der bipolaren Störung unterscheiden zu können, bezieht der Arzt viele detaillierte Informationen ein. Als schwierig kann sich der Umstand erweisen, dass sich Menschen in einer manischen Phase selbst nicht als krank erleben. Außerdem können die Symptome der Erkrankung individuell sehr variieren und denen anderer psychiatrischer Krankheitsbilder ähneln. Wichtig ist es, mit dem Arzt nicht nur über aktuelle Symptome, sondern auch über Gefühlsschwankungen und andere Beschwerden aus der Vergangenheit zu sprechen.

  • Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

    Die Behandlung der bipolaren Störung umfasst verschiedene Aspekte. Bei allen ist die Mitarbeit des Patienten erforderlich.

    Die Pharmakotherapie beinhaltet die Gabe von Medikamenten, wobei es zwei Ansatzpunkte gibt:  Einerseits werden die akuten Symptome von Manie und Depression therapiert. Andererseits erfolgt eine Phasenprophylaxe. Das heißt, es soll erneuten Krankheitsepisoden vorgebeugt werden. Die überwiegend eingesetzten Medikamente sind die sogenannten Stimmungsstabilisatoren. Wie das Wort bereits ausdrückt, schützen diese Medikamente gegen übermäßige Stimmungsschwankungen ohne eine Episode des „Gegenpoles“ auszulösen. Außerdem sollen sie weitere Krankheitsepisoden verhindern. Zeitweise kann auch die Gabe von Beruhigungs- und Schlafmitteln hilfreich sein. Entgegen vieler Meinungen machen die Stimmungsstabilisatoren nicht abhängig. Allerdings kann es - wie bei allen Medikamenten - zu unerwünschten Effekten kommen. Häufig verschwinden diese Nebenwirkungen nach einigen Tagen oder Wochen. Bei längerem Bestehen wird der Arzt alles versuchen, um andere Lösungen zu finden.
    Ein weiterer wichtiger Bestandteil bei der Behandlung ist die Psychotherapie. Hier geht es zum einen darum, möglichst viel über die bipolare Störung zu erfahren und so zum Experten der eigenen Erkrankung zu werden. Deswegen klärt der Arzt oder Psychologe den Betroffenen sowie dessen Angehörige umfassend über das Krankheitsbild und die Behandlung auf. Unter anderem gilt es zu lernen, erste Krankheitszeichen frühzeitig zu erkennen, Denkfehler sowohl in der manischen als auch in der depressiven Phase zu identifizieren, als Krankheitszeichen zu verstehen und mit den Medikamenten verantwortungsbewusst umzugehen. Zum anderen werden Strategien zur Stressbewältigung erarbeitet und vermittelt. Die Patienten sollen befähigt werden, Konflikte angemessen zu lösen, sich durchzusetzen, andere Denk- und Sichtweisen zu entwickeln, das Selbstwertgefühl zu stärken, mit den eigenen Kräften besser hauszuhalten und mit Problemen souveräner umzugehen. Dies erfolgt in Einzelgesprächen mit dem Arzt oder Psychologen sowie in Gruppentherapien zur Förderung der sozialen Kompetenz und in sogenannten Problemlösegruppen. Hier kommt vor allem die kognitive Verhaltenstherapie zum Tragen, welche entsprechende Techniken zur Veränderung des Verhaltens und Denkens bereithält. Ergänzt wird dieses Angebot durch die Möglichkeit des Erlernens eines Entspannungsverfahrens (Progressive Muskelentspannung).
    Dritter Baustein der Behandlung sind die psychosozialen und ergänzenden Therapien. Hierzu zählen z. B. die Ergo- und Bewegungstherapie, die Kunsttherapie oder auch die Trainings zur Verbesserung von Konzentration und Denkleistung. Hierfür steht ein multiprofessionelles Team bestehend aus Ergo-, Physio- und Kunsttherapeuten zur Verfügung. Das Fachklinikum Bernburg bietet zusätzlich tiergestützte Therapie und verschiedene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung an.

    Der stationäre Aufenthalt in der Klinik bildet einen geschützten Rahmen. In gebessertem Zustand besteht für die Patienten die Möglichkeit, in eine Tagesklinik zu wechseln. Gemeinsam mit dem Betroffenen und den Angehörigen wird nach Möglichkeiten zur Stressreduktion sowie nach Wegen für die Rückkehr in den Alltag und in die Familie gesucht. Sozialarbeiter bieten Unterstützung in den Bereichen Wohnen, Finanzen, Arbeit und Freizeitgestaltung an. So kann z. B. eine passende Begegnungsstätte oder auch eine Selbsthilfegruppe gesucht oder vermittelt werden. Außerdem werden Kontakte zu anderen Sozialeinrichtungen hergestellt. Die nervenärztliche, psycho- und soziotherapeutische Behandlung sollte nach Entlassung ambulant fortgeführt werden.

  • Wie kann man als Angehöriger die Behandlung unterstützen?

    Ist ein Familienmitglied an einer bipolaren Störung erkrankt, ist es besonders wichtig, dass dieser Mensch durch die Angehörigen unterstützt wird. Dabei können folgende Hinweise hilfreich sein:  

    • Achten Sie auf Frühwarnzeichen der verschiedenen Phasen der Erkrankung sowie auf eine regelmäßige Medikamenteneinnahme.
    • Bestärken Sie den Erkrankten, seine Arzttermine regelmäßig wahrzunehmen und eine angemessene Tagestruktur einzuhalten.
    • Vermeiden Sie Stress.
    • Informieren Sie sich umfassend über die Erkrankung, behandelnde Ärzte und Krankenhäuser sowie über Sozialhilfemöglichkeiten in der Umgebung.
    • Wenden Sie sich bei Schwierigkeiten selbst an den behandelnden Arzt.
    • Nutzen Sie Selbsthilfegruppen.
    • Ziehen Sie zusätzliche Informationsmöglichkeiten wie z. B. Online-Angebote oder Broschüren zu Rate.
    • Sorgen Sie für sich selbst, gönnen Sie sich Aus- bzw. Ruhezeiten.

    Besonders schwierig gestaltet sich die Begleitung eines Angehörigen in einer manischen Phase: Die Betroffenen meinen häufig, bisher nicht richtig gelebt zu haben. Sie stürzen sich in sexuelle oder sonstige Abenteuer, trinken viel Alkohol oder nehmen Drogen, sind gereizt und vorwurfsvoll. Hilfe wird vielfach nicht angenommen. Hier kann es durchaus Sinn machen, z. B. Konten sperren zu lassen, Freunde und Bekannte über die aktuelle Situation zu informieren, den sozialpsychiatrischen Dienst einzubeziehen und den Arzt zu informieren. Die Angehörigen müssen sich damit auseinandersetzen, im Notfall auch unliebsame Maßnahmen, wie z. B. das Anfordern von Notdienst oder Polizei, ergreifen zu müssen. Ratsam ist es, für derartige Situationen in einer gesunden Phase gemeinsam mit dem Betroffenen einen Notfallplan zu erstellen.

  • Welche Hilfen bietet Salus?

    Im Salus-Fachklinikum Bernburg werden Patienten mit einer bipolaren Störung in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik behandelt. In einer akuten Situation erfolgt zunächst die Aufnahme auf der geschützten Station P0/P1. Nach Besserung des Zustandes ist eine Verlegung auf die offene Station P2 oder in die Tagesklinik möglich. Die Nachsorge kann über die klinikeigene Ambulanz  erfolgen. Ergänzend besteht die Möglichkeit der ambulanten psychiatrischen Pflege. Sowohl während der stationären als auch bei der tagesklinischen Behandlung und der ambulanten Nachsorge werden die Patienten in allen Belangen umfassend unterstützt.

    Dies gilt auch für die Versorgungsangebote des Salus-Fachklinikums Uchtspringe, wo bipolare Störungen in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie mit den entsprechenden Stationen und Spezialisierungen  behandelt werden können. Ergänzt wird das therapeutische Spektrum durch die Tageskliniken in Stendal, Salzwedel und Seehausen sowie die Angebote der psychiatrischen Institutsambulanzen. Unterstützung im häuslichen Umfeld ist in der Altmark-Region durch den ambulanten psychiatrischen Pflegedienst möglich.

    Ambulante fachärztliche Hilfe bieten auch die Medizinischen Versorgungszentren der Salus-Praxis in Bernburg, Magdeburg und Stendal.

Autorin
Dipl.-Psychologin Franziska Rzesnitzek, Fachklinikum Bernburg

Hinweis
Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und erhebt nicht den Anspruch, alle Facetten der komplexen Thematik zu beleuchten. Er darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden und  kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.