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Schlaf und Psyche: Eine empfindsame Wechselbeziehung

Vorbereitung einer polysomnographischen Untersuchung im Schlaflabor Uchtspringe: Über Nacht wird eine Vielzahl von Messdaten erhoben, die zum Beispiel über Gehirnströme, Augenbewegungen, Muskelspannung, Atmung, Herztätigkeit, Körpertemperatur und den Sauerstoffgehalt des Blutes Auskunft geben. Die Auswertung erfolgt am nächsten Morgen (Foto unten). Fotos: Viktoria Kühne
Die Psychologische Psychotherapeutin und Somnologin Sabine Feldmann leitet das Schlafmedizinische Zentrum am Salus-Fachklinikum Uchtspringe.

Hansestadt Stendal I Ortsteil Uchtspringe. Lange bevor die Komplexität des Schlafes mit seinen verschiedenen Stadien und Funktionen erforscht wurde, erkannten die Menschen seine Bedeutung: „Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr,“ formulierte z.B. der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer im Jahr 1851. Allerdings ist dieses wichtigste menschliche Regenerations- und Reparaturprogramm auch störanfällig. „Es gibt zunehmend Menschen, bei denen der Schlaf seine erfrischend-erholsame Wirkung verfehlt“, erklärt Sabine Feldmann, Leiterin des Schlafmedizininischen Zentrums am Salus-Fachklinikum Uchtspringe, im Hinblick auf den Tag des Schlafes am 21. Juni 2022. Die Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) geht davon aus, dass während  der Corona-Pandemie sogar 40 Prozent der Bevölkerung zumindest vorübergehend unter Schlafstörungen litten bzw. noch leiden. Auch aktuelle Krisen – wie derzeit der Krieg in der Ukraine oder die inflationären Entwicklungen – wirken sich aus.
„Verunsicherung geht mit innerer Anspannung und Ängsten einher. Und das sind echte Störenfriede für den erholsamen Schlaf“, stellt Sabine Feldmann (Foto rechts) den schlafmedizinischen Zusammenhang her.  Die Psychologische Psychotherapeutin mit somnologischer (schlafmedizinischer) Zusatzausbildung weiß aus langjähriger Berufserfahrung, was auch die Wissenschaft längst bestätigt hat: „Schlaf und psychisches Befinden stehen in enger Wechselbeziehung. Schlafstörungen sind nicht nur ein häufiger Begleiter von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, sondern können diese sogar auslösen oder begünstigen“, verweist die Expertin auf erhöhte Risiken für Depressionen und Angststörungen, wie sie mit einer Insomnie einher gehen. Die Diagnose „Insomnie“ wird gestellt, wenn Ein- und Durchlafprobleme chronisch werden, d.h. länger als ca. sechs Monate anhalten.  „Wer schlecht schläft, ist trübsinnig, reizbar, unkonzentriert und weniger belastbar. Die meisten von uns kennen das. Und solange es hin und wieder mal vorkommt, muss man sich auch keine Sorgen machen. Den Ursachen chronischer Schlafstörungen sollte man jedoch auf den Grund gehen“, macht die Expertin auch auf auf die Schutzwirkung des erholsamen Schlafes vor Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Demenz und Schlaganfall aufmerksam.  
Erste Ansprechperson sei stets die Hausärztin oder der Hausarzt, um organische, psychische und psychosomatische Hintergründe sowie entsprechende Behandlungsoptionen abzuklären. Bei Bedarf könne weitere fachärztliche Expertise sowie gegebenenfalls eine spezialisierte schlafmedizinisch-ambulante Diagnostik und Behandlung hinzu gezogen werden. Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, sei eine stationäre schlafmedizinische Untersuchung indiziert. 
Bei diagnostizierter chronischer Insomnie ist die kognitive Verhaltenstherapie mit Schwerpunkt Insomnie die effektivste Behandlungsmethode. Da diese nicht für jeden erreichbar ist, kann eine digitale insomniebezogene Gesundheits-App (DiGa) Entlastung bei Ein- und Durchschlafstörungen bieten. Diese kann von den behandelnden Fachärzt*innen verordnet werden, wenn eine entsprechende Indikation besteht.
„Bei insomnischen Beschwerden empfehle ich meinen Patienten zuerst einmal, das eigene Schlafverhalten und die allgemeinen Lebensgewohnheiten kritisch zu relektieren. Dazu gehört auch, stresshaftes Erleben wahrzunehmen und Alltagsprobleme zu bewältigen“, so Frau Feldmann. „Schon allein fundiertes Wissen über den Schlaf kann einiges bewirken, um sich zum Experten der eigenen Nachtruhe zu entwickeln“, zeigt sie Erfahrungen aus der klinischen Praxis auf. Dazu gehöre u.a. die Erkenntnis, dass über die Erholsamkeit des Schlafes weniger die absolute Dauer, sondern die Qualität entscheide. Zu deren Verbesserung könne bereits die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln beitragen, bezieht sich die Somnologin auf entsprechende Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin:

  • Regelmäßige körperliche Aktivität am Tag ist unerlässlich.
  • Ein regelmäßiger Tagesablauf mit ähnlichen Aufsteh- und Zubettgehzeiten ist vorteilhaft.
  • Ein allabendliches Schlafritual, mit dem man den Tag abschließt, hilft beim Entspannen.
  • Wenn möglich, sollte auf einen Mittagschlaf verzichtet werden. Ist dieser nötig, dann nicht länger als 30 Minuten und am frühen Nachmittag.
  • Angenehme Temperatur im Schlafraum und eine Abdunkelung sind wichtig, da auch Licht unseren Schlaf erheblich stören kann.
  • Das Bett sollte nicht gleichzeitig Ort für Arbeit, Chatten, Social-Media-Nutzung, Fernsehen etc. sein.
  • Rauchen und Alkohol verschlechtern den Schlaf nachweislich!
  • Auch große und schwere Mahlzeiten am Abend tragen zu einem schlechten Schlaf bei.
  • Informationen zum DGSM-Aktionstag „Smarter schlafen“ finden Sie unter https://www.dgsm.de/gesellschaft/aktionstag/aktionstag-2022

Kurz informiert 
Das Schlafmedizinischen Zentrum des Salus-Fachklinikums Uchtspringe ist seit 1998 durch die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) zertifiziert mit neurologisch-psychiatrischem Schwerpunkt. Jährlich werden 400-500 Patient*innen untersucht und behandelt. Dem Versorgungsauftrag für die Altmark-Region entsprechend, werden aber auch die atmungsbedingten Schlafstörungen ambulant und stationär diagnostiziert und behandelt. Die Diagnostik aller Schlafstörungen folgt dem Stufenmodell mit Vordiagnostik beim Haus- und Facharzt.Im Schlaflabor Uchtspringe wird die nächtliche Polysomnographie ergänzt durch Untersuchungen am Tage, wie Schlaflatenztest (MSLT) und Wachheitstestung (MWT). Zusätzlich stehen die diagnostischen Angebote der Neurologie zur Verfügung, komplettiert durch die psychologisch-psychotherapeutische Diagnostik, und ggf. -Therapie. Zum Schlafmedizinischen Zentrum geht`s hier.