Schulangst

Die unruhige Nacht vor der Klassenarbeit, die Aufregung vor dem Referat – das kennen viele Schüler. Kinder und Jugendliche mit krankhafter Schulangst leben jedoch andauernd mit dem Gefühl, sie könnten versagen und sich blamieren, kritisiert und abgelehnt werden. Sie fürchten die Bewertung durch andere, und diese Angst lähmt ihr Denken. Schulangst tritt jedoch nicht nur als Furcht vor Leistungskontrollen auf, sondern entsteht häufig im Rahmen einer sozialen Angststörung. Selbst der normale Schulalltag löst bei den Betroffenen psychische und körperliche Reaktionen aus. Auch die Interaktion mit Gleichaltrigen ist beeinträchtigt.

Wichtigste Fragen zu Schulangst

  • Was sind die Anzeichen von Schulangst?

    Schulangst kann sich in einer Reihe körperlicher Symptome äußern, darunter Übelkeit, Erbrechen, häufige Toilettengänge, Nervosität, Bauchweh, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Muskelverspannungen, Schweißausbrüche, Appetitmangel, Schlafstörungen und Bettnässen. Die betroffenen Kinder schätzen ihr Leistungsvermögen äußerst pessimistisch ein und leiden unter gedrückter Stimmung bis zur Depression. Ständiges Grübeln über ein bevorstehendes Versagen beeinträchtigt ihre Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit. In der Folge sind die Leistungen meist schlechter als es dem Intellekt dieser Schüler entspricht. Sozial ängstliche Kinder und Jugendliche äußern sich im Unterricht nur, wenn sie angesprochen werden, antworten meist leise und undeutlich. Außerhalb der Schule ziehen sie sich häufig zurück und vermeiden auch den Kontakt mit Gleichaltrigen. Oft versuchen sie der belastenden Situation zu entkommen, indem sie nicht mehr zur Schule gehen. Ein Teil dieser Kinder und Jugendlichen reagiert mit aufsässigem Verhalten.

  • Was sind die Ursachen von Schulangst?

    Soziale Ängste entstehen sehr individuell auf dem Boden psychischer, biologischer, familiärer, gesellschaftlicher und sozialer Faktoren. Ein Teil von uns trägt die genetischen Anlagen für zurückhaltendes, vorsichtiges Verhalten in neuen Situationen in sich. Kommen bei Menschen mit dieser Temperamentseigenschaft bestimmte Bedingungen zusammen, können soziale Ängste wie die Schulangst entstehen. Als Risikofaktoren gelten u. a. ein überbehütender Erziehungsstil, Eltern, die selbst unter sozialen Ängsten litten oder leiden, überzogene Erwartungen an die Leistungen des Kindes, negative soziale Erfahrungen, Gewalt und Mobbing an der Schule. Zu den charakteristischen Auslösern der Leistungsangst zählt schulische Überforderung, z. B. nach einem Schulwechsel oder durch die Wahl eines ungeeigneten Schultyps. Der Schulangst können jedoch auch individuelle Lernschwierigkeiten oder -störungen (z. B. Lese-Rechtschreibstörung, Rechenschwäche, ADHS) zugrunde liegen.

  • Wie wird die Schulangst diagnostiziert?

    Wird hinter der Schulangst eine Überforderung vermutet, ist zunächst eine Leistungs- und Intelligenzdiagnostik durch den schulpsychologischen Dienst oder einen klinischen Psychologen angeraten. Leidet das Kind trotz ausreichender Intelligenz erheblich unter Versagensängsten, empfiehlt sich eine umfassende angstspezifische Untersuchung. Im Gespräch mit dem Kind bzw. Jugendlichen, seinen Eltern und ggf. Lehrern oder Erziehern erkundet der Facharzt/Psychologe die Beschwerden, die psychische Verfassung, die Entwicklung und die Lebensumstände des ängstlichen Patienten. Spezielle Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung in Kinder- und Elternversionen unterstützen die Diagnostik. Wichtig ist es, herauszufinden, woher die Angst kommt. So können dahinter z. B. auch eine bislang nicht erkannte Lese-Rechtschreib-Störung, eine Rechenschwäche oder eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stecken.

  • Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

    Oft lassen sich äußere Bedingungen im Schulumfeld beeinflussen, um die Angst zu mindern. Resultiert sie z. B. aus einer Leistungsüberforderung, können gezielte Förderung, ein Schul- oder Klassenwechsel das Kind entlasten. Sozial ängstliche Schüler profitieren von verständnisvollen Pädagogen, die um ihre Schüchternheit wissen, sie ermutigen und nicht vor der Klasse bloßstellen. Möglicherweise sind auch Konflikte zwischen Lehrer und Schüler auszuräumen, die aus Unkenntnis der Situation entstanden sind. Die beste Basis für die Bewältigung der Ängste bildet eine gute Kommunikation zwischen Elternhaus, Schule und dem betroffenen Kind/Jugendlichen, ggf. mit Unterstützung von Schulpsychologen und Sozialpädagogen. Zusätzlich kann die Hilfe von Kinder- und Jugendpsychiatern und Psychotherapeuten nötig sein. In speziellen Verhaltenstherapien und durch das Training sozialer Fertigkeiten lernen die Kinder, ihre Schulangst zu bewältigen. Das geschieht in der Regel ambulant. Ist ein Kind jedoch schon wochenlang nicht mehr zur Schule gegangen, kommen Verhaltensstörungen und eventuell weitere psychische Beeinträchtigungen hinzu, sollte eine stationäre Therapie erwogen werden.

  • Welche Folgen kann eine ausbleibende Behandlung haben?

    Bleiben Kinder und Jugendliche mit ihren Ängsten allein, können sich die Folgen wie eine Kette durch ihr gesamtes Leben ziehen. Schulangst führt häufig zu Schulvermeidung. Durch längere Fehlzeiten verlieren die betroffenen Kinder und Jugendlichen den Anschluss und ihre Probleme verschärfen sich. Trotz ausreichender Intelligenz haben sie oft erhebliche Lerndefizite und schaffen nur einen geringen Schulabschluss. Sie zweifeln an sich, ziehen sich von ihrer Umwelt zurück oder werden ausgegrenzt, schlimmstenfalls von den Mitschülern gemobbt. Darunter leidet auch die Entwicklung der sozialen Kompetenzen. Neben sozialen Nachteilen haben diese Menschen ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen. Manche von ihnen rutschen später ab in Kriminalität, Alkohol- und Drogensucht.

  • Wie kann man als Angehöriger die Behandlung unterstützen?

    Kinder müssen spüren, dass sie unabhängig von einer bestimmten Leistung geliebt werden. Sehr ängstliche Kinder benötigen noch mehr als andere Ermutigung, Verständnis und Trost. Eltern können jedoch leicht in die Falle tappen, dem Nachwuchs unangenehme Situationen ersparen zu wollen - möglicherweise auch aufgrund eigener sozialer Ängste. Dann ist z. B. der Entschuldigungszettel schnell geschrieben, wenn das Kind nicht in die Schule gehen will. Vermeidung hält die Angst jedoch aufrecht, schlimmstenfalls wächst sie weiter. Sprechen Sie mit dem Klassenlehrer und  ggf. mit dem Schulsozialarbeiter. Holen Sie sich Rat beim schulpsychologischen Dienst, bei befreundeten Eltern, in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz. Sollte eine ambulante oder stationäre Psychotherapie nötig sein, hat die Aufklärung und Beratung der Eltern in diesem Rahmen einen hohen Stellenwert.  

  • Wie kann man Schulangst dem Umfeld vermitteln?

    Schulangst ist etwas anderes als „null Bock auf Lernen“, und Schulvermeidung unterscheidet sich klar vom Schule schwänzen aus Unlust und Faulheit. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen leiden unter einem erheblichen emotionalen Druck. Für den Außenstehenden ist das jedoch meist nicht ersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Schüler häufig aufgrund der ihnen unlösbar erscheinenden Probleme auch verhaltensauffällig werden. Aufklärung tut not, an erster Stelle in der Schule. Hier sind die Eltern gefordert, z. B. beim Klassenlehrer oder bei einer anderen Vertrauensperson von den Sorgen und Ängsten ihrer Kinder zu berichten. Wenn die Pädagogen Bescheid wissen, lassen sich unnötiger Druck, kränkende und bloßstellende Situationen vermeiden. Oftmals können Rahmenbedingungen beeinflusst werden, die soziale Ängste begünstigen und aufrechterhalten.

  • Welche Hilfen bietet Salus?

    In den kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanzen der Salus können sich Eltern mit ihrem Kind vorstellen und beraten lassen. Hierbei zeigt sich oft bereits, durch welche Veränderungen zu Hause und in der Schule die Angst vermindert werden kann. Ist eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich, bekommen Eltern und Kind Empfehlungen für ambulante Angebote in Wohnortnähe. Für Kinder und Jugendliche mit stärkeren psychischen Beeinträchtigungen bietet die Salus tagesklinische und vollstationäre Therapien an.

    Angebote zur vollstationären Behandlung bestehen in Uchtspringe (Ortsteil der Hansestadt Stendal) und in Bernburg.

    In den kinder- und jugendpsychiatrischen Tageskliniken Bernburg, Dessau, Salzwedel, Stendal, und Wittenberg verbringen die Patienten den Tag gemeinsam und kehren nachmittags in ihr gewohntes Umfeld zurück. An Wochenenden und Feiertagen bleiben sie bei ihren Familien. In Salzwedel gibt es eine Familientagesklinik, wo Eltern und Kinder gemeinsam aufgenommen werden.

    Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) der Salus befinden sich in Stendal, Salzwedel, Bernburg, Dessau und Wittenberg. Ambulante Diagnostik und Therapie laufen hier wie bei niedergelassenen Ärzten nach einem Terminsystem.

    Die Medizinischen Versorgungszentren der Salus-Praxis in Bernburg, Dessau-Roßlau, Magdeburg, Oebisfelde und Stendal bieten ambulante fachärztliche Hilfe.

Autorin
Edda Gehrmann

Fachliche Begleitung
Chefärztin, Dr. med. Ute Ebersbach

Hinweis
Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und erhebt nicht den Anspruch, alle Facetten der komplexen Thematik zu beleuchten. Er darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden und  kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

ADHS

Kindheit und Jugend

Wenn Philipp zappelt und trotzt: Schlecht erzogen oder krank?

von Edda Gehrmann

Mehr erfahren