Diagnose "psychisch krank" - und dann?

Krank ist krank, ganz gleich ob körperlich oder mental. Aber während der Gang zum*zur  Ärzt*in bei physischen Beschwerden nahezu selbstverständlich ist, scheuen sich viele Menschen mit psychischen Störungen vor diesem Schritt und suchen, wenn überhaupt, oft erst nach langem inneren Kampf professionelle Hilfe. Vielleicht, weil sie die Symptome nicht als Krankheiten der Seele erkennen. Vielleicht aber auch, weil sie Angst vor dem haben, was mit diesem Schritt auf sie zukommt.

An dieser Stelle möchten wir ansetzen: Mit Aufklärung – von der Diagnose bis zur Behandlung. Darüber, wie psychische Krankheiten überhaupt festgestellt werden. Welche Therapieangebote es für die jeweiligen Krankheitsbilder gibt. Und natürlich auch mit Aufklärung darüber, ob und wie man einer psychischen Erst- oder Wiedererkrankung vorbeugen kann.

Sämtliche Texte dieser Rubrik stammen von Christfried Tögel und Peter Wellach.

Berühmte Betroffene

Alzheimer: Ronald Reagan 1/2

8 Jahre lang führte Reagan als 40. Präsident die Regierungsgeschäfte der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Mensch, dessen Entscheidungen die nationale und internationale Politik und Wirtschaft geprägt haben. Der langsam und schleichend seine Identität, sein Leben und sich selbst im Vergessen verlor: Nur wenige Jahre nach Beendigung seiner Präsidentschaft wurde bei Reagan Alzheimer diagnostiziert. Die neurodegenerative Gehirnerkrankung war im Laufe der Zeit so stark fortgeschritten, dass er selbst die einfachsten Tätigkeiten nicht mehr allein verrichten konnte.

Alzheimer: Ronald Reagan 2/2

Reagan jedoch gehörte zu den wenigen prominenten Persönlichkeiten, die sich öffentlich zu dieser Krankheit bekannt haben. In einem offenen Brief stellte er sich im November 1994 seinem Leiden und berührte dabei mit seinen Worten nicht nur die amerikanische Nation, sondern schaffte mit seinem Bekenntnis weltweit mehr Bewusstsein für eine Krankheit, von der weltweit fast 30 Millionen Menschen betroffen sind.

Alkoholismus: Harald Juhnke 1/2

Juhnkes Karriere als Entertainer, Schauspieler, Sänger und Showmaster war außergewöhnlich. Doch schon mit Beginn seiner Karriere gingen bei dem Berliner Original triumphale Erfolge und unzählige Auszeichnungen mit Abstürzen durch Alkoholexzesse einher. Nach den Dreharbeiten zum Film "Der Trinker" stürzt der Berliner Star erneut ab. Juhnke erleidet einen Kreislaufzusammenbruch, muss für drei Wochen ins Krankenhaus. - derstandard.at/2000022/Harald-Juhnke-und-der-AlkoholNach den Dreharbeiten zum Film "Der Trinker" stürzt der Berliner Star erneut ab. Juhnke erleidet einen Kreislaufzusammenbruch, muss für drei Wochen ins Krankenhaus. - derstandard.at/2000022/Harald-Juhnke-und-der-AlkoholBereits 1959 wurde er wegen Alkoholmissbrauchs auffällig, musste sogar für kurze Zeit ins Gefängnis und gab freiwillig seinen Führerschein ab. Auf Perioden der völligen Abstinenz folgten Phasen des zügellosen Trinkens mit immer fataleren Folgen – die Abstände dazwischen wurden immer kürzer.

Alkoholismus: Harald Juhnke 2/2

Nach den Dreharbeiten der Fallada-Verfilmung "Der Trinker" – eine seiner Paraderollen – erleidet er einen Zusammenbruch. Dennoch glaubte er: "Mich haut kein Rum wirklich um."

Doch sein jahrelanger Alkoholkonsum führte zum Korsakow-Syndrom, einer häufig bei chronischen Alkoholikern auftretenden, mit einer Amnesie vergleichbaren Störung der Merkfähigkeit. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung starb Juhnke schließlich an den Folgen seiner Suchterkrankung.

Paranoide Schizophrenie: John Nash 1/2

Mehr als dreißig Jahre lang lebte Mathegenie und Nobelpreisträger John Nash in zwei grundsätzlich verschiedenen Welten: die der Mathematik, in der alles logisch ableitbar oder beweisbar ist, und die der paranoiden Schizophrenie, in der er mit Außerirdischen sprach, sich von Geheimagenten verfolgt und als einziger Retter der Welt sah.

So musste er zum Schutz vor sich selbst und zum Schutz Anderer in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden. Über drei Jahrzehnte kämpfte er gegen die "Dämonen" in sich an.

Paranoide Schizophrenie: John Nash 2/2

Dem Thema nahm sich sogar Hollywood in dem Film "A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn" an. Auch wenn er das Leben Nashs nur anskizziert und nicht immer authentische Begebenheiten erzählt, so gibt er dennoch einen intensiven Einblick in das Leben eines visionären Geistes, der an der Realität zu scheitern droht. Zu erwähnen ist: Nash besiegte seine Dämonen, war erneut mit seiner Frau Alicia verheiratet und lehrte bis bis zu letzt noch an der University of Princeton. Er und seine Frau verstarben auf der Rückfahrt von der Auszeichnung des Abelpreis der Mathematik.

Depression: Robert Enke 1/2

Robert Enke litt lange Zeit unter Depressionen und nahm sich 2009 im Alter von nur 32 Jahren das Leben. Der Tod des Torwarts, der über die deutschen Ligen hinaus international glänzte und seinen Platz im Kader der Nationalmannschaft sicher hatte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Medien. Die genauen Gründe aber werden wohl immer offen bleiben, hatte er doch von außen betrachtet alles, was man sich nur wünschen konnte: eine liebende Frau, unterstützende Familie und beruflichen Erfolg.

Depression: Robert Enke 2/2

Erst nach seinem Tod wurde bekannt, dass Enke bereits seit langer Zeit an Depressionen gelitten und sich mehrfach in ärztliche Behandlung begeben hat. Dabei äußerte er sich nie öffentlich zu seiner Erkrankung. DIe Gründe kann man nur erhahnen: Vielleicht aus Angst vor Unverständnis und Ablehnung, eine Krankheitpublik zu machen, die in unserer Leistungsgesellschaft zu selten als solche akzeptiert und ernstgenommen scheint.

Angststörung: Howard Hughes 1/2

Hughes hatte nicht nur den Ruf des charmanten Cassanova und risikobereiten Finanzgenies. Er zählte mit seinem Milliardenimperium in seiner Ära zu den reichsten Männern der Welt, revolutionierte als Produzent und Regisseur die laufenden Bilder Hollywoods und lieferte als Luftfahrtpionier in den 1930er Jahren Höchstleistungen – vom schnellsten Flug bis zur kürzesten Weltumrundung. Man sollte meinen, er fürchtete weder Tod noch Teufel, doch Irrtum: Die Angst vor Bakterien, Keimen und Schmutz bestimmten sein Leben und ging mit immer stärker werdenden Zwangsstörungen einher.

Angststörung: Howard Hughes 2/2

1958 zog sich Hughes aufgrund seiner Ängste aus der Öffentlichkeit zurück. Er lebte bis zum Tod fast völlig isoliert und an der Grenze der Verwahrlosung in den teuersten Hotels der Welt. Die Höhen und Tiefen im Leben Hughes wurden u.a. im Hollywoodfilm "The Aviator" aufgegriffen. Er beschreibt eindrücklich die Entwicklung der psychischen Störungen, die Hughes ohne ärztliche Hilfe zum Absonderling machten  zu einem Menschen, der aus Furcht vor einer möglichen Ansteckung nichts und niemanden an sich heranließ.

Zwangsstörung: David Beckham 1/2

Beckham zählte zu den bestbezahlten Fußballsspielern der Welt und laut Nachrichtenmagazin "Time" 2004 zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Auch heute noch profiert er von seinen millionenschweren Werbeverträgen. Sein Leben scheint makellos. Doch David Beckham leidet unter einer Zwangsstörung. In verschiedenen Interviews erzählte er davon: Alles muss bei ihm in gerader Linie sein, vom Besteck bis zum Salzstreuer. Nichts darf in ungerader Anzahl vorhanden sein – er braucht die Harmonie der Symmetrie, sie beruhigt ihn.

Zwangsstörung: David Beckham 2/2

Seine Frau beschreibt ihn als Ordnungsfanatiker und Putzteufel, der unruhig wird, wenn jemand über den frisch gereinigten Boden läuft. Er selbst sagt, dass sich seine Zwänge durch Stress und Instabilität verstärken. So haben sich die Zwanghandlungen seit dem Herzinfarkt seines Vaters extrem verschlimmert. Vielleicht auch, weil sie ihm wie den meisten Betroffenen das Gefühl geben, damit Kontrolle über die Unsicherheiten des Alltags zu gewinnen.

Essstörung: Diana Spencer 1/2

Jeder ihrer Schritte war von einem Blitzlichtgewitter verfolgt – seit die Beziehung von Lady Diana Spencer mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles bekannt gegeben wurde, bis zu ihrem tragischen Tod im Jahr 1977. Trotz des immensen Medieninteresses an ihrer Person, das so gut wie keine Privatsphäre zuließ, gelang es Lady Di, ihre Esstörung, an der sie über mehrere Jahre litt, lange zu verbergen. Sie selbst sprach später in Interviews von einer "geheimen Krankheit", in die sie sich aufgrund des hohen Drucks, der auf ihr lastete und dem Gefühl der Überforderung flüchtete.

Essstörung: Diana Spencer 2/2

Erst kurze Zeit nach ihrer Trennung von Prinz Charles wagte sie den Schritt und erzählte in den Medien mit schonungsloser Ehrlichkeit von ihrer Ess-Brechsucht. Ebenso von der Despression, an der sie nach der Geburt ihrers ersten Sohnes erstmals und in der Folgezeit immer wieder erkrankt war. Mit dem Gang an die Öffentlichkeit schaffte es Diana Spencer, dass aus dem "Tabuthema psychische Störungen" plötzlich Krankheiten wurden, die jeden treffen können – auch eine Königin der Herzen.

Borderline-Störung: Fanny Moser

Die Ehefrau des Schweizer Industriemagnaten Heinrich Moser entwickelte kurz nach nach seinem Tod – etwa mit 30 Jahren – verschiedene Krankheitssymptome, die in dieser Zeit vornehm mit "nervösen Störungen umschrieben wurden. Ihren Fall behandelte Sigmund Freud und veröffentlichte ihn unter dem Pseudonym "Emmy von N." in seinen "Studien über Hysterie" 1895. Heute würden ihre Symptome – verzerrtes Selbstbild mit extremen Stimmungsschwankungen sowie gestörte zwischenmenschliche Beziehungen – vermutlich dem Borderline-Syndrom zugeordnet werden.