Gute Vorsätze: Warum der eiserne Wille oft nicht reicht

von Franka Petzke

(2. Januar 2024) Gute Vorsätze bleiben beliebt. Wichtigstes Vorhaben für 2024 ist der Wunsch, sich mehr Zeit für die Familie und den Freundeskreis zu nehmen. Knapp zwei von drei Menschen in Deutschland geben dies an – so viele wie noch nie. Damit führt dieses Anliegen erstmals seit zwölf Jahren die Rangliste der guten Vorsätze an. Auf den Plätzen zwei und drei liegen das Bestreben, mit Stress besser umzugehen und sich mehr zu bewegen. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen und repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit, die Ende Dezember 2023 veröffentlicht wurde*. Besonders bei Frauen stehen gute Vorsätze weiter hoch im Kurs: Mehr als vier von zehn setzten sich im laufenden Jahr Ziele. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Auch das Durchhaltevermögen steigt: 60 Prozent der Befragten gaben an, in diesem Jahr ihre Vorhaben länger als drei Monate durchgehalten zu haben (Vorjahr: 56 Prozent). Apropos Durchhalten: Reicht dafür eigentlich der eiserne Wille allein? Wir haben uns dieser Thematik aus neurobiologischer Sicht angenähert: 

Was lief gut? Was sollte sich ändern? Zum Jahreswechsel bilanzieren viele Menschen, was ihr Leben in den zurückliegenden zwölf Monaten ausgemacht hat. Es werden neue Pläne geschmiedet und gute Vorsätze gefasst. Zu deren Wesen gehört die Abkehr von alten, als schlecht empfundenen Gewohnheiten hin zu neuen, von denen man einen Zugewinn an Lebensqualität erwartet. Warum fällt es uns trotzdem so schwer, das Erstrebenswerte dauerhaft zu etablieren? Wir wollen – und trotzdem klappt es einfach nicht. 

 „Gute Vorsätze sind generell etwas Positives, ohne sie würde sich ja nichts bewegen“, sagt Prof. Dr. Bernhard Bogerts vom Salus-Institut. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit neurobiologischem Forschungsschwerpunkt weiß aber auch, dass ein Ziel vor Augen und der Verstand sehr häufig nicht ausreichen, um altvertraute Verhaltensmuster zu verändern. „Der viel beschworene eiserne Wille erweist sich in der Regel als recht schwach. Das Zepter wird vom limbischen System geführt.“ Dabei verweist er auf die Macht jener Hirnareale, die für Emotionen zuständig und bestrebt sind, lustvolles Erleben zu maximieren und Unbehagen auszuschalten. Verhaltensweisen, die über eine Aktivierung des Belohnungssytems schnelles Wohlbefinden versprechen, triumphieren in der Regel über solche, die der Verstand im Sinne des langfristigen Ziels empfiehlt. Das gilt leider auch, wenn sich der belohnende Kurzzeiteffekt auf längere Sicht eher negativ auswirken kann. Dies ist auch der Grund, warum süchtiges Verhalten so schwer zu ändern ist und gern in der Lebensroutine aufrechterhalten wird. „Neurowissenschaftliche Studien belegen zwar, dass das Gehirn prinzipiell in der Lage ist, sich neu zu organisieren und neuronale ,Trampelpfade' zu verlassen. Das ist aber in jungen Lebensjahren wesentlich einfacher als in fortgeschrittenem Lebensalter. Vor allem neigt das Gehirn aber dazu, Bewährtes und Gewohntes zu wiederholen.“ 

Für persönliche Veränderungen gibt es keine Patentrezepte. Oberste Priorität bei den guten Vorsätzen sollten aus Sicht von Prof. Dr. Bogerts jedoch alle Aktivitäten einnehmen, die dem Erhalt oder der Verbesserung der körperlichen und geistigen Gesundheit und Leistungsfähigkeit dienen. Effektive Maßnahmen hierfür sind: 

  • Integrieren sie regelmäßiges moderates Konditionstraining in ihren Lebensalltag (z.B. Joggen, Radfahren, Schwimmen). Das stärkt nicht nur Kreislauf, Immunsystem und psychische Widerstandskraft, sondern stößt auch die Bildung neuer Hirnzellen an.  
  • Pflegen sie nicht nur ihren Familien- und Freundeskreis gut, sondern insgesamt möglichst viele soziale Kontakte. Das ist der beste Weg, um die eigenen kognitiven Fähigkeiten und die geistige Flexibilität zu erhalten und zu steigern. 
  • Ernähren sie sich gesund und steuern sie ihre Kalorienaufnahme so, dass die Pfunde oberhalb des Idealgewichtes dauerhaft abgebaut werden. Das ist – wie durch viele Studien nachgewiesen -  die beste Altersprophylaxe. 
  • Reduzieren sie Stress. Das Stresshormon Kortisol schädigt langfristig sowohl das Immunsystem als auch bestimmte Hirnstrukturen. Stressreduktion ist zwar je nach privater und beruflicher Lebenssituation oft leichter gesagt als getan. Daher kann ein Achtsamkeitstraining hilfreich sein.  

„Um längerfristige Ziele zu erreichen, sollte man sich mit dem eigenen Belohnungssystem verbünden“, empfiehlt Prof. Bogerts. „Wir sollten uns ständig vor Augen halten, dass wir uns künftig wohler fühlen, wenn wir mit den guten Vorsätzen langfristig durchhalten. Damit wird das Belohnungssystem in unserem Hirn schließlich besser bedient als mit einem ,Weiter so'." 
Das kann selbst dann gelingen, wenn sich schlechte Angewohnheiten bereits als (Not)Lösung für andere Probleme eingegraben haben. Beispiel: Couch-Surfing, Alkohol, Fernsehen oder üppige Abendmahlzeiten dienen vielfach als Entspannungsmittel nach anstrengenden Arbeitstagen – man „knipst“ sich damit aus. Aber: Werden sie in der Lebensroutine durch die beschriebenen Aktivitäten oder auch durch regelmäßige Spaziergänge an der frischen Luft, Treffen mit Freund*innen oder einen Yoga-Kurs ersetzt, tut das dem seelischen Wohlbefinden schlichtweg gut. 

Wichtig bei allen guten Vorsätzen ist die Orientierung an kleinen, erreichbaren Schritten. „Dazu gehört auch die Akzeptanz, dass Rückschläge möglich sind – vor allem, wenn es um abhängiges Verhalten geht, bei dem das hartnäckige Suchtgedächtnis im Spiel ist“, so der Experte. Ein „Nie wieder!“ ist in solchen Fällen weitaus schwerer vorstellbar als ein „Diese Woche nicht!“. Und: Nur weil man einmal wieder geraucht hat, muss man sich von seinem Vorsatz nicht gleich verabschieden.

* Quelle: DAK Gesundheit, Repräsentative Bevölkerungsumfrage durch Forsa, 1.006 Befragte. Erhebungszeitraum: 13. bis 16. November 2023.

 

 

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