Wie wertvoll sind Freundschaften für uns?

von Nicole Recknagel

„Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben“, wusste schon Wilhelm von Humbold. Wie wertvoll Verbindungen und Freundschaften für uns sind und wie sie auf uns wirken – darüber haben wir Salus-Psychologin Karina Baumbach gesprochen.

Wie wirken sich soziale Kontakte – insbesondere Freundschaften – auf unsere Seele und vielleicht auch unseren Körper aus?

Wir Menschen sind soziale Wesen. Deshalb ist Bindung eines der wichtigsten seelischen Grundbedürfnisse in unserem Leben. Vor allem Freundschaften haben neben familiären und intimen Beziehungen einen äußerst positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden – auf unsere psychische und auch körperliche Gesundheit. Eine Rolle spielt dabei das Bindungshormon Oxytocin. Es sorgt dafür, dass wir uns gut fühlen, wenn wir Zeit mit Menschen verbringen, die uns wichtig sind.

Ich habe u.a. durch meine Arbeit am Salus-Fachklinikum den Eindruck, dass familiäre Beziehungen durchaus herausfordernd sein können und ihre Spuren hinterlassen. Freundschaften, die auf Gegenseitigkeit und Vertrauen aufgebaut sind, können dies abpuffern und den Menschen Halt geben. Gerade mit zunehmendem Alter haben Freundschaften einen positiven Einfluss bzw. nicht vorhandene oder wenig wertschätzende Bindungen einen negativen. Letztere können zu Einsamkeit und physischen wie psychischen Erkrankungen führen.

Haben Freundschaften Einfluss auf unsere Lebenserwartung?

Ja. Genauso wie Freundschaften unsere Lebenserwartung positiv beeinflussen können, kann das Fehlen dieser unsere Lebenserwartung senken. Studien belegen, dass Menschen, denen erfüllende soziale Kontakte fehlen, häufiger krank sind. Die Immunabwehr ist schlechter und es gibt ein erhöhtes Risiko u.a. für Depressionen, Angststörungen und Demenz. Schon bei Kindern sieht man, dass sich diese Krankheitsbilder eher entwickeln können, wenn ihnen der Halt und das soziale Miteinander fehlen.

Woher kommt unser Bedürfnis nach Gemeinschaft?

Unser Bedürfnis nach sozialer Gemeinschaft ist evolutionär in unseren genetischen, neuronalen und hormonellen Strukturen festgelegt. Wir haben intuitiv das Bedürfnis nach Bindungen, Vertrauen und Sicherheit. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie sehr wir soziale Kontakte brauchen. Vor allem ein offenes Ohr, Halt und gemeinsame Zeit tut uns besonders gut. Studien belegen, dass die positive Wirkung auf unser Wohlbefinden bei persönlichen Treffen stärker ist als beim Telefonieren und online austauschen.

Neben der Bindung ist die Autonomie eines der wichtigsten seelischen Grundbedürfnisse für uns Menschen. Ich bezeichne sie gern als gegenpoliges Zwillingspaar. Auf den ersten Blick scheinen sie unauflösbare Gegensätze zu sein. Beide gehören aber zusammen, um gesunde Beziehungen führen und langfristig im Gleichgewicht sein zu können, d.h. wir brauchen beides, um anderen nah sein zu können und diese Nähe halten zu können.

Wie entstehen Freundschaften?

Beim Entstehen von Freundschaften braucht es vor allem Zeit und Raum. Unsere Sympathie wächst häufig von Treffen zu Treffen, es sei denn, wir stellen von Beginn an fest, dass wir irgendwie nicht zusammenpassen. Es sind gemeinsame Interessen, Werte und Ansichten, die dann dafür sorgen, dass wir uns viel zu erzählen haben, gern Zeit miteinander verbringen und einander näherkommen. Die Bereitschaft, sich zu öffnen, ist natürlich auch eine Voraussetzung.

Welche Faktoren halten Sie für eine gute Freundschaft für besonders wichtig?

Eine Freundschaft ist ein Geben und Nehmen. Sie lebt von gegenseitigem Interesse, Aufmerksamkeit, Vertrauen und Wertschätzung. Freund*innen bestärken uns in unserer Identität und erkennen uns mit unseren Stärken und Schwächen an. Sie können sich über Gefühle oder auch mal schwierige Gedanken austauschen, hören einander zu und unterstützen sich. Dass das auch mal nicht ganz ausgeglichen sein kann, ist vollkommen normal, doch eine grundsätzliche Balance sollte gegeben sein. Es sollte sich langfristig einfach gut anfühlen. Vor allem aber sind Freundschaften geprägt von positiven Gefühlen, gemeinsamen Erlebnissen und einer schönen Zeit. Das können Kinoabende sein, Zeit in der Natur, Tanzen gehen, Sport machen oder auf dem Balkon sitzen und erzählen.

Wann haben Sie sich das letzte Mal Zeit für einen Freund oder eine Freundin genommen? Tun Sie es doch einfach mal wieder! Freundschaften leben davon, dass man sie „lebt“.  Es wird Ihnen gut tun!

Viel Spaß dabei!

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