Wenn ein Mensch an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz erkrankt, sind Familienangehörige und Freund*innen mitbetroffen. Häufig fühlen sie sich mit alltäglichen Problemen und Fragen des Umgangs unsicher und allein. Expert*innen raten: Wichtig ist es, sich gut über die Erkrankung zu informieren und in die Situation des*der Kranken einzufühlen.
Es war Johannes K., der als erster bemerkte, dass mit seinem Vater etwas nicht stimmte. Seine Eltern waren seit über 50 Jahren verheiratet. Die schleichenden Veränderungen nahm die Mutter nicht als Alarmzeichen wahr. Sie hatte sich schon daran gewöhnt, dass ihr Mann kaum noch auf ihre Fragen reagierte und schnell aggressiv wurde. Schusselig sei er schon immer gewesen, sagte sie. Und Herr K. hatte ein großes Talent entwickelt, zu überspielen, wenn er seine Umgebung nicht verstand. Doch Johannes K. war besorgt und bestand darauf, gemeinsam zum Arzt zu gehen. Nach eingehenden Untersuchungen folgte die Diagnose: Der Vater von Johannes K. leidet an einer Alzheimer-Demenz. Was nun?
"Viele Betroffene und ihre Angehörigen drohen in ein tiefes Loch zu fallen, wenn sie mit dieser Diagnose konfrontiert sind", weiß Andreas Lange. "Da können wir helfen. Wir informieren, beraten und geben Werkzeuge an die Hand, mit denen der Alltag bewältigt werden kann." Andreas Lange leitet in Stendal den Ambulanten Psychiatrischen Pflegedienst. Auf fachärztliche Verordnung besuchen er und seine Mitarbeitenden die Patient*innen zu Hause. Maximal 3,5 Stunden pro Woche sind möglich.
Für den Fachmann steht an erster Stelle, dass sich alle Beteiligten umfassend über die Krankheit informieren und ihren Alltag nicht von gefährlichem Halbwissen regieren lassen. Je mehr man weiß, umso besser könne man mit den Patient*innen umgehen und sei auch in der Lage, deren Verhalten zu akzeptieren. „Viele Angehörige wollen auf den Betroffenen einwirken und ihn verändern, doch das funktioniert nicht." Denn Demenzkranke leben in ihrer eigenen Welt. Es ist wichtig, sich so gut wie möglich einzufühlen und auf die Patient*innen einzugehen. Wer sich beim Essen schlimm bekleckert, von der komplexen und abstrakten Aufgabe "Tisch decken" überfordert ist oder unter Inkontinenz leidet, der kann sich nicht einfach zusammenreißen. Dies alles ist Teil des Krankheitsbildes.
Demenzkranke brauchen vor allen Dingen Liebe, Zuneigung, Geborgenheit und Vertrauen. Wenn in der sprachlichen Kommunikation Barrieren entstehen, kann dies noch immer mit Blickkontakt und Berührungen vermittelt werden. Etwas, das den Eltern von Johannes K. im Laufe der Jahre verloren gegangen war und sie wieder neu für sich entdecken mussten. Familie K. musste auch lernen, den Vater nicht ständig zu verbessern, wenn er scheinbar wirre Dinge erzählte. Vielmehr sollte man in der Biographie der Patient*innen nach den Eckpfeilern suchen, an denen sie sich gerade orientieren.
Demenzkranke vergessen mehr und mehr, wer sie sind und werden davon sehr verunsichert. Es kann sogar passieren, dass sie ihre eigenen Ehepartner oder Kinder nicht erkennen. Viel besser erinnern sie sich an die eigene Kindheit und das frühe Erwachsenenalter. Sie befinden sich auf einer anderen, Geborgenheit versprechenden Zeitebene. Darauf muss man sich einstellen. Angehörige sind zwar keine Fachleute. Doch gerade ihre jahrelange Nähe zu den Patient*innen – das Wissen um frühere Gewohnheiten und Erlebnisse – kann dabei helfen, sie besser zu verstehen.
Andreas Lange rät dazu, Kranke so weit und so lange wie möglich in der Selbständigkeit zu bestärken. Kein Mensch möchte sich unnütz fühlen. Einfache Tätigkeiten wie Kartoffeln schälen könnten lange Zeit möglich bleiben. Dabei sollten die Angehörigen viel Geduld aufbringen und die Nachsicht, dass das Ergebnis eben mal nicht perfekt wird.
Wer sich auf ein Leben mit Demenzkranken einstellt, der kann auch noch viele schöne Momente mit seinen Lieben erleben. Johannes K. erinnert sich zum Beispiel an einen Nachmittag, als er mit seinen Eltern gemeinsam im Wohnzimmer saß. Sie waren gerade von einem schönen, langen Spaziergang zurückgekehrt, der zu den täglichen Ritualen gehörte. Da schaute sein Vater hinüber zur Mutter und sagte ganz unvermittelt: "Sie gefallen mir. Möchten Sie mich heiraten?"
Hinweis: Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und erhebt nicht den Anspruch, alle Facetten der komplexen Thematik zu beleuchten. Er darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden und kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.
Fachliche Begleitung: Andreas Lange