Weihnachten vergisst man nicht – Festtage mit demenzkranken Angehörigen

von Edda Gehrmann

Heimelige Düfte, Lieder, Familienrituale - Weihnachten ermöglicht Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen schöne gemeinsame Momente. Das Fest, seit der Kindheit gefeiert, erreicht den Erkrankten auf der Gefühlsebene und weckt Erinnerungen im Langzeitgedächtnis. Doch die Flexibilität, sich auf Neues einzustellen, ist eingeschränkt. 

„Alle Jahre wieder.“ – Wer mit einem demenzkranken Verwandten Weihnachten feiert, sollte das wörtlich nehmen. Eine gewohnte Umgebung, eine überschaubare Zahl vertrauter Menschen und eingespielte Rituale vermitteln ihm Sicherheit. Zu viele Reize von außen dagegen, z. B. die lebhaft schwatzende Großfamilie, laute Musik oder ein dauerflimmernder Fernseher, können Verwirrung und Ängste auslösen. „Es ist sehr wichtig, das Fest ruhig zu gestalten, große Aufregung und starke Geräusche zu vermeiden und sich weitgehend an gewohnte Abläufe zu halten“, rät Andreas Lange. Der Fachkrankenpfleger für Psychiatrie leitet den Ambulanten Psychiatrischen Pflegedienst im Salus-Fachklinikum Uchtspringe und betreut mit seinem Team auch viele Patient*innen, die unter demenziellen Erkrankungen leiden. „Gut strukturierte, einfache Abläufe tun der gesamten Familie gut“, weiß er aus seiner Arbeit, die durch vielfältige Kontakte mit pflegenden Angehörigen geprägt ist und rät dazu, dies auch im Hinblick auf die Feiertage zu beherzigen: „Ein demenzkranker Mensch genießt die gesamte Weihnachtsatmosphäre oft mehr als ein aufwändiges Essen.“

Verändertes Zeitempfinden tolerieren

Das kostbarste Geschenk ist Zeit füreinander, wenn möglich schon im Advent. Zeit zum Beispiel für gemeinsames Plätzchenbacken, für´s Baumschmücken, für Erinnerungen an vergangene Christfeste, für ein traditionelles Weihnachtsessen, alte Weihnachtslieder, märchenhafte Geschichten und Familienfotos. Wer seinen Verwandten nicht mehr fragen kann, orientiert sich daran, was er früher gern mochte. Oft genügt es auch, einfach bei ihm zu sitzen und seine Hand zu halten. Ein demenziell veränderter Mensch reagiert emotional häufig anders als ein Gesunder. Er spürt jedoch eine liebevolle Berührung ebenso wie dieser, riecht die typischen weihnachtlichen Düfte, sieht den leuchtenden Tannenbaum, erkennt ein althergebrachtes Lied. Seine Sinne haben Verbindung zur Gegenwart, auch wenn er möglicherweise ein Weihnachten weit in der Vergangenheit feiert. „Die Familie sollte Toleranz dafür aufbringen, dass ihr Angehöriger in einer anderen Zeitlinie lebt und ihn entweder gar nicht oder ganz behutsam etwas korrigieren“, empfiehlt Andreas Lange.

Überforderung auf beiden Seiten vermeiden

Das fällt oft umso schwerer, je näher man sich steht. Die Tochter erwartet vielleicht zu viel, hofft, dass ihr Vater so reagiert, wie sie es sich wünscht. Stattdessen lacht der Kranke möglicherweise an Stellen, an denen sie es nicht erwartet und beschreibt zusammenhangslos wiederkehrende Erinnerungen. Hinzu kommen die emotionale Bedeutung des Weihnachtsfestes und die organisatorischen Anforderungen: Pflegende Angehörige können an Grenzen geraten, wenn sie ihre Erwartungen zu hoch hängen, und daher bedenken: Gelassenheit und Geduld sind nicht nur im Umgang mit dem dementen Familienmitglied, sondern auch mit sich selbst wohltuend. Ein entspanntes Weihnachtsfest gelingt leichter, wenn sich alle Beteiligten gegenseitig entlasten und gut auf das Befinden ihres dementen Angehörigen achten. Die stellvertretende APP-Pflegedienstleiterin Andrea Neumann beschreibt, woran sich eine mögliche Überforderung erkennen lässt: „In der Regel werden die Patienten dann unruhiger, klopfen zum Beispiel mit den Händen auf den Tisch oder versuchen, sich aufzurichten. Sie werden sehr müde und schlafen plötzlich ein. Dann sollte es eine Möglichkeit und Akzeptanz dafür geben, dass sich das erkrankte Familienmitglied zurückzuzieht, auch wenn die feierliche Runde noch nicht zu Ende ist.“

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