Aktuelles

Isolation und Hilflosigkeit überwinden: Mehrfamilientherapie in der Salus-Tagesklinik Salzwedel setzt auf Austausch & Bestärkung

Das Team der Salus-Tagesklinik Salzwedel unter fachärztlicher Leitung von Dipl.-Med. Astrid Bergmeier (2.v.r.) ist multiprofessionell aufgestellt. Bei der Behandlung, darunter auch im Setting der Mehrfamilientherapie, wirken Fachkräfte aus Pflege, Psychologie, Sozialarbeit, Ergotherapie und weiteren Professionen mit.
Im Frühjahr 2013 hielt die Salus-Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie Salzwedel in der Schillerstraße 2 Einzug, nachdem der Gebäudekomplex zuvor saniert und umgebaut worden war.
Entspannung im Bällchenbad.
Blick in einen Therapieraum.
In der Spieltherapie werden Konzentration und Motorik gefördert.
Die Abteilungsärztin Dipl.-Med Astrid Bergmeier leitet die Salus-Tagesklinik für Kinder, Jugendliche und Familien in Salzwedel seit der Eröffnung.

Salzwedel. Seit zehn Jahren ist die Villa in der Salzwedeler Schillerstraße 2 ein Therapiezentrum für Kinder und Jugendliche, die unter Störungen der Emotionen und des Verhaltens leiden.  
Im Frühjahr 2013 hielt hier die Salus-Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie Einzug, nachdem der Gebäudekomplex zuvor saniert und umgebaut worden war. Damit verbesserten sich die Bedingungen zur tagesklinischen Betreuung der jungen Patient*innen, die hier - differenziert nach Alter und Störungsbild – in zwei Gruppen behandelt wer-den. Zugleich wurden seinerzeit räumliche Voraussetzungen für die Mehrfamilientherapie geschaffen - ein Behandlungsangebot für Eltern und Kinder, das in der Altmark nach wie vor einzigartig ist. Es bringt jeweils sechs bis acht Familien über einen Zeitraum von etwa sechs Wochen zusammen, die aufgrund einer psychischen Störung ihres Kindes mit ähnlichen Alltagsproblemen zu kämpfen haben. Der gemeinsame Prozess unter fachkundiger therapeutischer Anleitung regt dazu an, sich gegenseitig zu unterstützen, zu beraten und zu bestärken. Diese Möglichkeit, die eine Alternative zur tagesklinischen Einzelaufnahme des erkrankten Mädchens oder Jungen sein kann, wurde in den zurückliegenden zehn Jahren von mehr als 350 Familien genutzt. Ein Beispiel:   

Dass der heute siebenjährige Jannes (Name geändert) ADHS – also eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung - haben könnte, vermuteten die Eltern angesichts seiner starken  Ver-haltensauffälligkeiten schon länger. „Mein Partner, der ADHS aus eigener Erfahrung kennt, hatte sich gut darüber informiert. Aber bei unserem ersten Anlauf, das näher untersuchen zu lassen, hieß es noch, Jannes sei eben ein aufgewecktes Kind“, erinnert sich die Mutter Sophie Kramer (Name geändert).  Mit dem Schuleintritt wurde das Familienleben mit Jannes jedoch noch proble-matischer und anstrengender. „Hausaufgaben machen war fast ein Ding der Unmöglichkeit, es gab nur Geschrei. In der Schule konnte unser Sohn nicht aufpassen, er war überall, nur nicht im Unterricht. Irgendwas mussten wir tun. So ging das für uns als Familie nicht weiter. Das hätte uns völlig entzweit“, schildert Frau Kramer die belastende Situation, die sie schließlich in die Tagesklinik Salzwedel führte. „Das Vorgespräch war noch sehr auf das Verhalten des Kindes bezogen. Als wir dann hier waren, reifte aber schnell die Erkenntnis, dass auch wir als Eltern etwas verändern müssen, damit unser Sohn in die richtige Bahn kommen kann.“ 

Während der sechs- bis achtwöchigen Familientherapie begleitet jeweils ein Elternteil das Kind in die Tagesklinik, wobei sich Mutter und Vater auch abwechseln können. Zu den Behandlungsbausteinen gehören u.a. psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche, Ergo- und Spieltherapien, Entspannnungsverfahren und gemeinsame Unternehmungen. Als besonders hilfreich erleben viele Eltern den Austausch untereinander.

„Man fühlt sich ja mit seinen Problemen oft hilflos und allein. Es erscheint so, als sei bei allen anderen immer alles in Ordnung“, lässt Sophie Kramer an ihren Wahrnehmungen teilhaben. „Hier in der Gruppe merkt man dann: Hey, wir sind gar nicht die Einzigen. Es gibt Familien, denen es genauso ergeht wie uns. Da fühlt man sich aufgehoben und verstanden, kann sich gegenseitig unterstützen und ermutigen“, freut sich die junge Frau auch über die freundschaftlichen Verbindungen, die in dieser Zeit entstanden sind. „Für uns war die wichtigste Erkenntnis, dass wir als Eltern konsequent sein und bleiben müssen. Indem wir an einem Strang ziehen und uns besser absprechen, läuft schon jetzt  einiges harmonischer. Und wir haben Ziele, an denen wir weiter arbeiten“, erklärt die Salzwedlerin, die sich inzwischen auch selbst in Therapie begeben hat: „Nur wenn ich gesund und mit mir im Gleichgewicht bin, kann ich gut für meine Familie da sein.“ 
Die Abteilungsärztin Dipl.-Med Astrid Bergmeier leitet die Salus-Tagesklinik für Kinder, Jugendliche und Familien in Salzwedel von Anbeginn. Nach ihren Erfahrungen eröffnet das Konzept der Mehrfamilientherapie besonders gute Chancen, um famliäre Ressourcen zu aktivieren: „Die Eltern von Kindern mit psychischen Störungen und auffälligem Verhalten leiden häufig unter dem Gefühl, versagt zu haben. Im therapuetisch angeleiteten Austausch mit anderen Betroffenen erle-ben sie relativ schnell Entlastung und merken, dass es Strategien und Lösungswege gibt, um als Familie wieder handlungsfähig zu werden. Das stärkt das Selbstbewusstsein aller Beteiligten und die Eltern-Kind-Beziehung“, erklärt die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie. Zwar habe die Elternarbeit bei nahezu allen kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungen einen hohen Stellenwert, sei im Setting  der Mehrfamilientherapie aber besonders interaktiv und bestärkend. Zugleich macht Frau Bergmeier darauf aufmerksam, dass die Chancen auf positive Veränderungen um so größer sind, je früher die Auffälligkeiten erkannt und Wege zur Hilfe in Anspruch genommen werden.  
Für einen Erstkontakt mit der Tagesklinik Salzwedel kann jederzeit ein unverbindlicher Gesprächstermin vereinbart werden (Telefon: 03901 3074850). 

Hier geht´s zur Internetseite der Tagesklinik Salzwedel.

Kurz informiert 
Die Tagesklinik Salzwedel ist eine Außenstelle der stationären Klinik I für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und –psychotherapie des Salus-Fachklinikums Uchtspringe und wird in chefärztlicher Verantwortung von Dr. med. Beate Schell geführt. Sie wurde im Frühjahr 2007 eröffnet und war zunächst auf einer Etage im Haus 1 des Altmark-Klinikums ansässig. 2013 erfolgte dann der Umzug in den sanierten Gebäudekomplex in der Schillerstraße, wo dann auch die Familientagesklinik etabliert wurde.
Besonders häufig leiden die hier zu behandelnden vier- bis 18jährigen Patienten unter Störungen der Emotionen und des Verhaltens. Diese können  sich beispielsweise in aggressiven oder auch extrem zurückgezogenen Verhaltensweisen, Ent-wicklungs-, Lern- und Leistungsproblemen zeigen. Auch Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen mit oder ohne Hyperaktivität sind vielfach zu behandeln. Da die jungen Patienten die Nacht und das Wochenende zu Hause verbringen, bleiben ihre Beziehungen zum vertrauten familiären Umfeld weitgehend erhalten und können bei der Zusammenarbeit mit den Eltern direkt in die Therapie  einbezogen werden. Ebenso ist – wie im Beitrag erläutert - die gemeinsame Aufnahme von Eltern und Kindern im Rahmen der Mehrfamilientherapie möglich. Der Tagesklinik angegliedert ist eine kinder- und jugendpsychiatrische Institutsambulanz.  
Für die Diagnostik und Behandlung stehen in der Tagesklinik modern ausgestattete Räume zur Verfügung, u.a. für die Ergo-, Sport-, Musik- und Entspannungstherapie. Schulpflichtige Kinder und Jugendliche werden in den Hauptfächern stundenweise unterrichtet, wobei es neben der Lehrstoffvermittlung auch darum geht, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie zu ermutigen, sich im Anschluss an die Therapie den Leistungsanforderungen der Schule wieder zu stellen. 
Das Sprechstundenangebot der angegliederten kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanz richtet sich auch an junge Patienten, die auf eine klinische oder tagesklinische Behandlung vorbereitet werden bzw. im Anschluss daran noch längere therapeutische Hilfe brauchen.