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Kommunikation neu erleben: Moderne Technologie unterstützt Menschen in der Salus-Wohnstätte „St. Georgii II“ Magdeburg

Kristina Rohde (l.; Leiterin der Tagesförderung) und Dr. Sabine Dutschko (Fachbereichsleiterin der Salus-Eingliederungshilfe) freuen sich, dass sich die Geräte zur unterstützten Kommunikation als wertvolle Alltagsbegleiter bewähren.
Bei einer Informationsveranstaltung wurde den Angehörigen der Bewohnenden kürzlich das Konzept der unterstützten Kommunikation vorgestellt.
Die Talker werden individuell an die Bedürfnisse des jeweiligen Nutzers angepasst.
Auch in der Interaktion der Bewohnenden mit ihren Angehörigen können die Geräte zur unterstützten Kommunikation hilfreich sein, so zum Beispiel im Austausch über Wünsche zum Weihnachtsfest.
Ein Beitrag zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember

Magdeburg.  Kommunikation ist das Herzstück menschlicher Interaktion. Sie ermöglicht es uns, Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken, Beziehungen zu anderen Menschen zu gestalten und aktiv am Leben teilzunehmen. Sind diese Fähigkeiten – z.B.  aufgrund einer schweren Behinderung - eingeschränkt, geht das für Betroffene und betreuendes Fachpersonal mit vielfältigen Herausforderungen ein. Kompetenz und Einfühlungsvermögen reichen mitunter nicht aus, um Menschen mit kommunikativen Handicaps in ihrem Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung nachhaltig zu bestärken. Daher wird in der Salus-Wohnstätte „St. Georgii II“ Magdeburg jetzt eine Technologie zur unterstützten Kommunikation eingeführt, die das Spektrum der Einflussmöglichkeiten innovativ erweitert.
Bei den so genannten Talkern sowie den Geräten mit Augensteuerung handelt es sich um fachärztlich verordnete Hilfsmittel, die auf Antrag von den Krankenkassen finanziert werden können. Talker sind Kommunikationsgeräte, deren Sprachausgabe durch Symbole, Bilder oder Texte gesteuert wird. Sie sind besonders hilfreich für Menschen, die Schwierigkeiten haben, verbal zu kommunizieren. Geräte mit Augensteuerung ermöglichen es den Nutzenden, Texte und Symbole durch Blickbewegungen auszuwählen und über diesen Weg ihre Bedürfnisse auszudrücken. Diese Technologie ist für Menschen mit motorischen Einschränkungen geeignet, die keine herkömmlichen Hilfsmittel nutzen können. Wie die Praxis zeigt, trägt die regelmäßige Nutzung der Geräte zur Verbesserung der kommunikativen Kompetenzen, insbesondere des Sprach- und Situationsverständnisses bei.

Ein vereinfacht dargestelltes Beispiel: Beate Meyer (Name geändert) ist geistig und körperlich schwer behindert, hat häufig auch mit psychischen Problemen zu kämpfen. Es fällt ihr sehr schwer, ihr Befinden auszudrücken und ihre Anliegen zu äußern. Hat sie Schmerzen? Möchte sie eine andere Wurstsorte probieren? Oder hat sie vielleicht nur einen schlechten Tag? Obwohl das Betreuungspersonal einfühlsam darum bemüht ist, die Bewohnerin zu verstehen, lassen sich Frustration und Missverständnisse nicht immer vermeiden. Seitdem Frau Meyer mit einem individuell angepassten Talker ausgestattet wurde und sich allmählich mit dem Gerät anfreunden konnte, ist sie im Alltag spürbar entspannter und selbstbewusster: Die Magdeburgerin kann nicht nur Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder nach einer Ausfahrt an der frischen Luft besser zum Ausdruck bringen, sondern zum Beispiel auch signalisieren, wenn sie „bockig“ ist und einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte. 
„Die Einführung dieser innovativen Kommunikationshilfen hat bei einigen Beteiligten recht schnell zu positiven Reaktionen und Veränderungen geführt, während andere noch Hemmungen im Umgang mit den Geräten zeigen“, berichtet Dr. Sabine Dutschko, Fachbereichsleiterin der Eingliederungshilfe von „Salus betreuen & pflegen“. „Wir setzen daher auf ein behutsames Heranführen an die neue Technologie. Dies erfolgt durch einfache Übungen, beispielsweise mit sprechenden Feldern, auf denen bekannte Gegenstände, Personen, Alltagssituationen oder Bedürfnisse abgebildet sind und man mit Ja oder Nein antworten kann.“ Vorlieben für bestimmte Speisen können auf diesem Weg ebenso signalisiert werden wie die Auswahl von Produkten beim Einkauf oder Weihnachtswünsche.
Geduld, Zeit sowie die intensive Schulung der Mitarbeitenden sind auch aus Sicht von Kristina Rohde notwendig, damit die moderne Technologie perspektivisch ihre volle Wirkung entfalten kann. Die erfahrene Ergotherapeutin leitet die Tagesförderung in der Magdeburger Salus-Einrichtung der Eingliederungshilfe und hatte  mit ihrem Team die Einführung der unterstützten Kommunikation vorgeschlagen: „Unser Ziel ist es, die Methodik weiter in den alltäglichen Abläufe zu verankern. Die Nutzung der Geräte soll ganz selbstverständlich zu den Routinen und Ritualen gehören, die Orientierung und Sicherheit vermitteln. Dies eröffnet die Chance auf einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität und Mitbestimmung, wenn die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt ist.“ Gefolgt werde dabei auch der Erkenntnis, dass hinter Verhaltensauffälligkeiten oder sogar Aggressionen oft ein unerfülltes Bedürfnis stecke,  das mithilfe der modernen Technik erkannt und soweit wie möglich erfüllt werden könne. Als großen Vorteil empfindet Frau Rohde, dass bei den Anbietern der Geräte – also den Unternehmen REHAVISTA und tosignify – jederzeit kompetente Ansprechpersonen zur Verfügung stehen, die bei auftretenden Fragen oder Problemen konsultiert werden können.
Das bislang in der Eingliederungshilfe noch wenig verbreitete Konzept der unterstützten Kommunikation wurde kürzlich übrigens auch den Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner vorgestellt: „Deren positive Resonanz bestärkt uns in unserem Vorhaben, die Thematik intensiv weiter zu verfolgen und das Angebot noch auszubauen“, verweist Kristina Rohde u.a. auf den Wunsch nach Kommunikationsmitteln, die für alle Bewohnenden des Hauses hilfreich sein könnten. „Zum Beispiel sind wir auf einen großen Touch-Bildschirm mit spezieller Software gestoßen, der den Zugang zu alltags- und tagesstrukturieren Informationen erleichtern könnte.“  Allerdings werde diese Technik nicht wie bei der Einzelfall-bezogenen Geräteausstattung über die Krankenkasse finanziert, so dass man es hier über die Akquise von Spenden versuchen wolle. 
„Die Einführung der unterstützten Kommunikation markiert einen wichtigen Schritt zu mehr Autonomie, Selbstbestimmung und Teilhabe im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Wir sehen bereits, wie diese Technologie das Leben der Menschen in unserer Einrichtung positiv verändert,“ zieht Dr. Sabine Dutschko eine ermutigende erste Zwischenbilanz.

Die Salus-Wohnstätte „St. Georgii II“ im Doctor-Eisenbart-Ring, eröffnet im Dezember 1996, ist das Zuhause von 48 Frauen und Männern mit geistigen und mehrfachen Behinderungen. Sie werden hier durch ca. 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sechs familiären Wohngruppen auf ihrem Lebensweg begleitet. Dabei nimmt die Tagesförderung neben der Betreuung und Pflege einen hohen Stellwert ein, um die Fertigkeiten der Bewohne-rinnen und Bewohner zu trainieren und ihnen sinnvolle Tätigkeitsfelder zu bieten. So beteiligen sich die Frauen und Männer nicht nur an ergotherapeutischen Angeboten, Haushaltstrainings, Entspannungs- und Bewegungstherapien, sondern entfalten sich auch auf kulturell-künstlerischem Gebiet.  Weitere Informationen zur Einrichtung finden Sie hier.