Bad Schmiedeberg I OT Pretzsch. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hat sich am Freitag (21. Juni 2024) über Entwicklungen im Schlossbezirk Pretzsch informiert. Im Blickfeld des Besuchsprogramms standen insbesondere Investitionsmaßnahmen, die in den zurückliegenden Jahren unter Einsatz von Fördermitteln des Landes und des Bundes umgesetzt wurden, so aus dem Programm zur Verwendung des Vermögens der Partei- und Massenorganisationen der DDR (kurz: PMO-Mittel) sowie im Rahmen der Beseitigung von Schäden des Elbe-Hochwassers von 2013. Daran anknüpfend, war der Austausch auch den Zukunftsperspektiven des Kleinods an der Elbe gewidmet.
An den Gesprächen und Besichtigungen vor Ort nahmen Akteure aus Politik und Gesellschaft teil, die sich für die Standort-Entwicklung im Schlossbezirk engagieren, darunter Heike Dorczok (Bürgermeisterin der Stadt Bad Schmiedeberg) und Christian Tylsch (Landrat des Landkreises Wittenberg). Von Seiten der Salus gGmbH begleiteten u.a. Staatssekretär Wolfgang Beck (Aufsichtsratsvorsitzender der Salus Altmark Holding gGmbH) sowie Jürgen Richter (Geschäftsführer der Salus Altmark Holding) den Besuch des Ministerpräsidenten. Unter dem Dach der Salus werden im Schlossbezirk Pretzsch verschiedene Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe, eine Praxis zur hausärztlichen Versorgung der Bevölkerung sowie gastronomische und kulturelle Angebote zur Förderung des Tourismus entlang des Elbe-Radweges geführt. Im Schloss ist außerdem die Förderschule mit Ausgleichsklassen „Adolf Reichwein“ in Trägerschaft des Landkreises angesiedelt. Das gesamte Areal einschließlich des 45.610 Quadratmeter großen barocken Schlossparks steht umfassend unter Denkmalschutz, so dass die Standort-Entwicklung mit enormen Herausforderungen einhergeht. Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff zollte dem Wirken der im Schlossbezirk Pretzsch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anerkennung und Respekt. Er bezog in seinen Dank sowohl das Engagement in den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitsversorgung und Schule als auch die Anstrengungen zum Erhalt der historischen Liegenschaft im Sinne der touristisch-kulturellen Entwicklung ein.
Nachfolgend einige Beispiele zu geförderten Sanierungsprojekten im Schlossbezirk Pretzsch:
Haus 4a – ehemaliges Sommerpalais; heute Wohngruppe
Dieses Haus ist heute Domizil der Wohngruppe „Zwergenland“, wo derzeit sieben Kleinkinder im Alter zwischen 1 bis 5 Jahren betreut werden, die einer besonderen Hilfe zur Erziehung bedürfen.
Die für diesen Nutzungszweck notwendigen Sanierungs- und Umbauarbeiten erfolgten von März 2020 bis Juni 2022, gefördert aus PMO-Mitteln in Höhe von fast 1,5 Millionen Euro (Gesamtinvestition: 2,1 Millionen Euro).
Während der Abbruchmaßnahmen wurden barocke Malereien an den Innenwänden sicht-bar, die das Gebäude eindeutig als temporäres Wohnhaus von Königin Christiane Eberhardine (1671–1727) ausweisen. Es wurde von ihr als Sommerpalais genutzt, während sie Bau-arbeiten im Schloss durchführen ließ.
Der denkmalpflegerisch geforderte Erhalt der in vielen Räumen freigelegten Malereien unterbrach die Baumaßnahme und machte einerseits eine restauratorische Untersuchung, Dokumentation und Sicherung und andererseits umfangreiche Umplanungen notwendig, um die Originalsubstanz von baulichen Eingriffen freizuhalten (Verlegung von Elektro- und Heizungstrassen, Veränderung von Durchbrüchen, spezielle Deckenkonstruktionen ohne Wandbefestigung, anderer Umgang mit Oberflächenbeschichtungen etc.).
Haus 7A – Neue Orangerie (Saal, Schlosscafé, Straßenflügel)
Dieser Gebäudekomplex wurde mit dem Einzug des Schlosscafés, Saalflügels sowie angrenzenden Funktionsräumen und Terrasse im Februar 2024 als Gastronomie- und Veranstal-tungszentrum der Salus-Service neu eröffnet.
Sanierung und Umbau erfolgten zwischen September 2021 und Februar 2024, gefördert aus PMO-Mitteln in Höhe von mehr als 3,4 Millionen Euro (Gesamtinvestition: 6,1 Millionen Euro).
Am Gebäude wurden – speziell im Straßenflügel – unerwartet starke Schädigungen am Holztragwerk (Dachstuhl und Deckenbalken) festgestellt. Ein wirtschaftlicher Komplettaustausch („alt gegen neu“) der geschädigten Hölzer war aus denkmalpflegerischer Sicht nicht zulässig: Vorgabe der Denkmalpflege war, auch Teilabschnitte ursprünglichen Holzes zu er-halten. Letztendlich konnten nur ca. 30 Prozent des Altholzes unverändert erhalten werden.
Cranach-Decke im Schloss
Hohe denkmalpflegerische Bedeutung wird den im Schloss Pretzsch aufgefundenen Bemalungen von Holzbalkendecken aus der Werkstatt von Lucas Cranach d. J. (1515-1586) zugeschrieben. Sie gelten als einzig überlieferte, in bemerkenswertem Umfang erhaltene Raumdekoration aus dem Werkstattbetrieb Lucas Cranach d. J.. Die eigenhändige Bemalung durch ihn selbst trägt dazu bei, dass die Kriterien eines Denkmals von nationaler Bedeutung erfüllt werden.
Mit den zur Verfügung stehenden PMO-Fördermitteln in Höhe von 40.000 Euro konnten von August bis Dezember 2021 zunächst die Freilegung des künftig zu restaurierenden Deckenbereiches vorgenommen, die Malereien gesichert sowie der Raum klimatisiert werden. Mit diesen Maßnahmen wird die Cranach-Decke vorerst „über die Zeit“ gebracht. Die Restaurierung und die Ausstattung des Raumes einschließlich einer ggf. noch zu konzipierenden Ausstellung) sind noch offen.
Während der Freilegung wurden bauliche Elemente und Zeichen verschiedener früherer Umbauphasen sichtbar, an denen sich sehr gut eine baugeschichtliche Zeitreise (Renais-sance - Barock - Neuzeit) unternehmen lässt. Daher sollen diese auch zukünftig sichtbar gelassen werden.
Haus 5c – ehemaliges Wagenhaus; heute hausärztliche Salus-Praxis
Das Fachwerkhaus auf dem ehemaligen Wirtschaftshof wird seit Januar 2019 durch die Salus-Praxis für die hausärztliche Versorgung der Bevölkerung genutzt. Durch das Wirken von zwei Fachärztinnen sowie vier medizinischen Fachangestellten ist es möglich, dass hier inzwischen bis zu 2.000 Patientinnen und Patienten im Quartal behandelt werden. Auch neue Patientinnen und Patienten können noch aufgenommen werden. Allerdings ist der Schlossbezirk nicht gut an den ÖPNV angebunden, was sich derzeit noch hinderlich auf die Erreichbarkeit der Praxis auswirkt.
Das Haus wurde zwischen April 2017 und Dezember 2018 für den neuen Nutzungszwecke saniert und umgebaut, finanziert aus dem Programm zur Beseitigung von Hochwasserschä-den in Höhe von mehr als 1,5 Millionen Euro. Es musste völlig entkernt und mit einem neuen Fundament aus Bohrpfählen ausgestattet werden. Besonders anspruchsvoll gestaltete sich auch die Sanierung des Holztragwerkes.